WALLEY BERLIN BERLIN WALL * KUNST * BERLINER MAUER * ART WALLEY BERLIN * BERLIN WALL * KUNST * BERLINER MAUER * ART
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Meine Begegnung mit Herrn Gorbatschow in Berlin am 16.06.2005

Im Sommer 2005 begegnete ich dem ehemaligen sowjetischen Generalsekretär Michael Gorbatschow auf einer Vernissage zum Thema "Der Freie Wille" in Berlin. Ich kann nur sagen, die Aura dieses Mannes ist so überwältigend, dass mir persönlich fast die Sprache wegblieb, als ich ihm mein Bildgeschenk "Glasnost" überreichte. Aber lesen Sie selbst, was ich in Berlin erlebte: 

Meine Begegnung mit Herrn Gorbatschow in Berlin am 16.06.2005

 

Auf Einladung der Arena Kulturarena Veranstaltungs GmbH Berlin reiste ich am 16.06.05 zur Eröffnung der Ausstellung zeitgenössischer Kunst unter dem Motto „Der Freie Wille – 20 Jahre Glasnost“ nach Berlin[1]. Die Ausstellung wurde von Michael Gorbatschow eröffnet, der einst nach seiner Ernennung zum Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Sowjetunion im Jahre 1985 der „Glasnost“ und „Perestroika“ den Weg geebnet hatte.

Da ich Herrn Gorbatschow für seine Lebensleistungen um Freiheit und Demokratie sehr verehre und bewundere, überlegte ich mir im Vorfelde zu meiner Reise, diesem verdienten Menschen der jüngeren Zeitgeschichte ein persönliches Geschenk zu machen. Als kreativer Kunstmaler kam mir schnell eine Idee. So besorgte ich eine Leinwand in den Maßen 20 x 80 cm und trug mit Spachtelmasse die russischen Lettern für „Glasnost“ auf. Im Anschluss übermalte ich die Fläche mit bunten Farben und besprenkelte sie mit Leuchtflitter, so dass - je nach Lichteinfall – die Lettern zu leuchten beginnen und der Begriff „Glasnost“ aus seinem bunten Umfeld hervorstrahlt.

Schließlich machte ich mich am 16.06. frühmorgens per Bahn von meiner Heimatstadt Norden aus auf den Weg und erreichte ca. 7 Stunden später nach mehrmaligem Umsteigen den Veranstaltungsort in Berlin – Treptower Park.

Per E-Mail hatte ich den Veranstalter der Ausstellung bereits über meine Pläne informiert, und ich wusste, dass er davon nicht sehr begeistert war – war doch zu erwarten, dass Herr Gorbatschow von den Personenschützern der Berliner Polizei bestens abgeschirmt würde. So stufte er mein Vorhaben wortwörtlich als „recht unrealistisch“ ein. Außerdem befürchtete er, dass mein Bildgeschenk Herrn Gorbatschow von den Arbeiten der ausstellenden Künstler ablenken könnte. Dementsprechend mäßig war seine Begeisterung, als ich dann in der Tat auftauchte. Er versprach mir aber, bei den Sicherheitsbeamten ein gutes Wort für mich einzulegen, damit ich Herrn Gorbatschow bei passender Gelegenheit doch mein Bild würde überreichen können. Da ich bereits mehr als 2 ½ Stunden vor Ausstellungseröffnung auf dem Gelände des Bunkers am Flutgraben eintraf, waren noch einige HelferInnen fleißig bei der Arbeit, um den Bunker für die Ausstellung vorzubereiten.

Während ich mich im Bunker aufhielt, wurde das äußere Gelände um den Bunker herum von der Polizei hermetisch abgeriegelt, um sicherzustellen, dass keine weiteren Personen unkontrolliert in den Bunker gelangen können. Meine frühe Anwesenheit hatte sowohl mich als auch meinen Rucksack vor den gründlichen Kontrollen bewahrt, die den nach mir kommenden Besuchern widerfuhren, welche geduldig in einer langen Schlange vor dem Eingang anstehen mussten.

 

Nachdem alle Gäste Einlass gefunden hatten und die Polizei noch einige Anordnungen zum Verhalten während des Gorbatschow-Besuchs verlautbaren ließ, traf der ehemalige sowjetische Generalsekretär eine knappe halbe Stunde nach planmäßigem Ausstellungsbeginn ein. Unter großem Jubel hielt er eine kurze Rede in seiner Landessprache, während ein wahres Lichtergewitter von den vielen Fotoapparaten auf ihn niederging. So stand er da, leibhaftig. Seine Rede wurde simultan ins Deutsche übersetzt und war nach wenigen Minuten vorbei. Mit einem Schmunzeln stellte er fest, dass er sich schon gewundert habe, nach Deutschland zu kommen und ausgerechnet in einem ehemaligen Bunker eine Ausstellung zu dem Thema „Der Freie Wille des Einzelnen“ zu eröffnen.

Der Andrang der Massen vor der Absperrung zum Rednerpult war dermassen groß, dass ich Herrn Gorbatschow auch mit dem größten Recken und Strecken kaum sehen konnte. Mein ursprünglicher Plan, ihm unmittelbar nach seiner Rede mein Bild zu überreichen – unmöglich.

Zudem hatte ich mich auch nicht früher in das Gedränge stürzen können, wollte ich doch mein Bild vor Schäden bewahren, die es im Bad der Menge leicht hätte bekommen können.

Ich saß wie auf Kohlen. Der Veranstalter, mit vielen organisatorischen Fragen gleichzeitig beschäftigt, war nicht der geeignete Ansprechpartner, um die Erfüllung meines Wunsches zu realisieren. Mir war klar, ich war auf mich allein gestellt und musste mir etwas einfallen lassen.

Da Herr Gorbatschow direkt im Anschluss an seine kurze Rede gesondert durch die Ausstellung geführt wurde, machte ich mir Gedanken, aus welcher Tür er wohl wieder herauskommen würde. Ihm nachzulaufen wäre mir nicht möglich gewesen, also musste ich ihn an geeigneter Stelle erwarten und zwecks Bildüberreichung abpassen. Ich kombinierte: In dieser Halle befanden sich Exponate von weiteren Künstlern, welche ebenfalls an dieser Ausstellung teilnahmen, und hier war er noch nicht gewesen – die Sicherheitsbeamten hatten ihn ja geradewegs wieder auf dem Wege aus dem Bunker herausgeführt, auf welchem er vor seiner Rede gekommen war. Es bestand also nur die Möglichkeit, dass ihm die Ausstellung in entgegengesetzter Reihenfolge gezeigt würde. Ich fand schnell heraus, dass nur eine Tür wieder in den Bunker zurückführte, durch die er kommen konnte, um auch die restlichen, hier befindlichen Exponate zu besichtigen. Die Nachfrage bei einem der Mitarbeiter und seine wenig überzeugend klingende Antwort „Nein, hier kommt er bestimmt nicht heraus“ brachte mir die endgültige Gewissheit, dass ich richtig getippt hatte.

Kurzerhand schnappte ich mir einen Stuhl, hielt mein Bild in der Hand – dabei mochte ich wohl selber wie eine lebende Installation wirken – und wartete. Es verging keine Minute, da öffnete sich die Tür und zwei gutgekleidete Bodyguards mit der Anstecknadel des Berliner Bären (Erkennungssymbol des Personenschutzes der Berliner Polizei) kamen heraus. Es tat sich also was. Den Polizisten folgte ein ganzer Tross von wichtig und offiziell aussehenden Personen. Und tatsächlich, unter ihnen war eindeutig Herr Gorbatschow, der mir nun buchstäblich „in die Arme“ lief. Von Gesprächen mit einem netten älteren Berliner Ehepaar, welches seit fast 25 Jahren als Autogrammjäger auf der Pirsch war und dabei so manchen „Promi“ erwischt hatte, wusste ich, dass es beinahe unmöglich war, an Herrn Gorbatschow direkt heranzukommen. Und mir wurde er nun wie auf dem Präsentierteller gereicht. „Mr. Gorbatschow, I have a present for you“, hörte ich mich wie aus der Ferne zu ihm sagen, während ich ihm mechanisch mein Bild entgegenreichte. Vorher hatte ich mir einige Versionen überlegt, wie ich ihn vielleicht am besten würde ansprechen können, doch mir fiel davon nichts mehr ein. Herr Gorbatschow zögerte - ich wiederholte meinen Satz. Er nahm mein Bild entgegen, musterte es neugierig und sorgfältig. „Glasnost“ stand darauf, wir stellten es gleichzeitig fest. Ich reichte schnell einem der etwas überforderten Sicherheitsleute meine Kamera für ein gemeinsames Foto mit Herrn Gorbatschow. Der aber lehnte ab. „Nein, keine Fotos“. Auf meine erneute Bitte antwortete er „Keine Fotos, ich will nicht fotografiert werden!“ Er hatte wohl etwas missverstanden. Glücklicherweise nahm ein anderer Begleiter in den Sekundenbruchteilen des Geschehens meine Kamera in Empfang. Voller Verlegenheit fiel mir nichts anderes ein, als Herrn Gorbatschow zu wiederholen, dass ich ihm das Bild als persönliches Geschenk überlassen wolle. Er sah mich höflich mit dem Ausdruck seiner Autorität an, reichte mir fest die Hand und sagte: „Strasswudje (oder Strassbudje? – Russischkenner mögen mir bitte verzeihen)“. Noch bevor ich überlegen konnte, was dieses Wort bedeutete, kam auch schon die Antwort seines Dolmetschers von hinten: „Herr Gorbatschow bedankt sich bei Ihnen“. Doch auch ich war von einer tiefen Dankbarkeit erfüllt dafür, dass ich diesem so wunderbaren Menschen habe begegnen können.

 

Ich war rundum glücklich und zufrieden – auf einen Schlag waren alle Strapazen der Reise vergessen, das teure Bahnticket hatte sich auf einen Schlag bezahlt gemacht. Der Begleiter reichte mir meine Kamera zurück. Sein Foto dokumentiert meinen Handschlag mit Herrn Gorbatschow.

Während der Tross mit Herrn Gorbatschow, der mein Bild die ganze Zeit über weiter in der Hand behielt, das Gebäude verließ, machte ich innerlich wahre Luftsprünge und verließ kurz darauf ebenfalls – mit einem breiten Grinsen – die Veranstaltung.

Vielleicht war das auch ganz klug so, weil ich ansonsten womöglich eine mächtige Tracht Prügel riskiert hätte, wäre ich länger geblieben. Ich gebe ja auch zu, dass ich ein etwas schlechtes Gewissen habe, weil ich mindestens drei ausstellenden Künstlern durch meine Aktion die Schau gestohlen habe, die nun von Herrn Gorbatschow gar nicht mehr wahrgenommen wurden. Vielleicht aber auch habe ich damit Herrn Gorbatschow ein zweites Geschenk gemacht: Den Anblick einer Selbstperformance, bei der ein Darsteller als Ausdruck seines freien Willens Bananen isst und in aller Geduld den Brei auf einen sich unter ihm befindlichen Teppich sabbert, habe ich ihm erspart…

 

Diesen Tag werde ich nie vergessen. Danke Gorbi! 

 

Christophe Didillon, 17.06.2005      



[1] Mehr Informationen zu dieser Veranstaltung finden sich im Internet unter www.der-freie-wille.de